Es ist Zeit für dein kreatives Erwachen. Entdecke, wie lebendig es dich macht, etwas Kreatives zu schreiben und deine Texte mit anderen zu teilen. Als deine Mentorin begleite ich dich gerne auf deiner Schreibreise.
Solltest Du Suizidgedanken haben und unmittelbare Hilfe benötigen, ruf bitte die Telefonseelsorge unter 0800/1110111 an. (Leider ist die aus eigener Erfahrung nicht immer gut erreichbar – ein Unding eigentlich. Solltest du akut in Gefahr sein, zögere nicht, die 110 zu wählen.)
Die Welt ist geschockt über den Tod von DJ Avicii (mit bürgerlichem Namen Tim Bergling). Aktuelle Berichte legen nahe, dass sich der junge Musiker selbst das Leben genommen haben könnte. Und nun sammeln sich, ähnlich wie nach dem Suizid von Chester Bennington im letzten Jahr, Beileidsbekundungen in den sozialen Netzwerken, in denen MusikerInnen und Fans Anteil nehmen am vermuteten Suizid von Avicii. Darin finden sich immer wieder die Worte, dass er nun „hoffentlich Frieden oder Freiheit gefunden hat“. Und auch in der Stellungnahme seiner Familie heißt es: „Er hat wirklich gerungen mit dem Nachdenken über den Sinn, das Leben, das Glück. Jetzt hat er es nicht länger geschafft. Er wollte Frieden haben.“ Ja, hoffentlich hat seine Seele nun Frieden. Aber ich finde diese Formulierungen nicht ungefährlich, denn der Freitod ist nicht der einzige Weg zu innerem Frieden, es ist nicht die einzige Ausfahrt in die Freiheit. Es gibt auch Wege, die mit dem Leben vereinbar sind. Und für diese Wege habe ich diesen Blogartikel geschrieben.
Mir geht es nicht darum, das Thema Selbstmord mit Schuldgefühlen zu beschweren. Ich denke grundsätzlich, dass wir alle frei über unser Leben entscheiden dürfen. Auch über sein Ende. Aber – die Frage muss erlaubt sein – wie frei ist eine Entscheidung, die unter dem Einfluss von Depressionen und tiefem seelischem Schmerz steht? Der Entwurf für diesen Blogartikel ist schon einige Wochen alt. Ich habe bisher gezögert, ihn zu veröffentlichen, aber ich glaube, gerade jetzt, als Rückblick, ist er besonders wertvoll. Denn in meinen Stimmungstagebüchern kann ich ablesen: der Weg von häufigen Suizidgedanken bis zu einer lebensbejahenden Haltung muss nicht ewig lang sein. In meinem Fall waren es von der akuten Phase bis zu meiner momentanen, recht stabilen Verfassung nur einige Wochen. Frieden ist auch im Leben wieder möglich. Auch, wenn man das in den dunklen Momenten kaum glauben kann.
Rückblick – wie hoffnungslos ich mich noch vor einigen Wochen gefühlt habe
Alle Worte fühlten sich hölzern an. In manchen Augenblicken war in meinem Herzen so viel Schmerz, dass ich glaubte, es muss jeden Moment zerbersten. Aber es hielt. Es schlug noch in meiner Brust, auch wenn ich manchmal gewünscht hätte, dass ich einfach nichts mehr hätte fühlen müsste. Die privaten und gesundheitlichen Belastungen des vorangegangene Jahres hatten meine seelischen Kapazitäten überschritten, weit über die rote Linie hinaus. Jeder Tag kostete unendlich viel Kraft. Am 20. März nahm ich auf Instagram an der „I am the change“-Aktion teil. Anlass war der Geburtstag von Chester Bennington, dem Sänger von Linkin Park, der sich im letzten Jahr das Leben genommen hat. Seine Frau Talinda hat das Projekt 320 change direction gegründet, um über seelische Gesundheit aufzuklären und das Tabu rund um das Thema „Suizid“ aufzubrechen.Chesters Lieder und Texte haben mich seit meiner Teenagerzeit durch die schwersten Momente getragen und mir das Gefühl gegeben, nicht alleine zu sein. Sie sind für mich ein emotionaler Aderlass, nach dem man sich in den Augenblicken purer Verzweiflung so grenzenlos sehnt. Linkin Park hatten und haben in ihren Texten nie Angst vor den Abgründen und den dunklen Flecken der Seele.
Suizidgedanken sind für Außenstehende oft unsichtbar
Dabei ist wichtig, zu wissen, dass Suizidgedanken von Außen oft nicht mal zu erahnen sind. Sie finden mitten im Leben statt. Über dem Kopf von Betroffenen schwebt keine klar erkennbare dunkle Wolke. Deshalb ist so es unglaublich wichtig, über dieses Thema aufzuklären und Menschen zu ermutigen, darüber in einen Austausch zu kommen und das Schweigen zu brechen. Talinda sprach in einem Interview darüber, dass Chesters Tod ein Wendepunkt in der gesellschaftlichen Wahrnehmung dieses Themas sein muss:
„It has to show people, we can seem so normal, so okay – and then not be okay. In an instant.“
Ein Video, das sie ins Netz gestellt hat und das Chester nur 36 Stunden vor seinem Tod zeigt, gibt Einblicke in genau dieses plötzliche Umkippen der Gefühle. In dem Video sieht man ihn fröhlich und ausgelassen mit seiner Familie. Nichts deutete auf die tiefe Verzweiflung hin, die ihn kurz danach zu seinem Entschluss trieb.
Auch in meinem Kopf haben sich in den ersten Wochen des Jahres meine Gedanken um Suizid gedreht. Selbst jetzt, in diesem Artikel, fällt es mir schwer, das zu tippen. Aber es ist wichtig. Mein Schweigen hilft niemandem – weder mir, noch anderen Betroffenen. Mein Therapeut, der mich durchaus ernst nahm, beruhigte mich aber in einem Punkt: Suizidgedanken sind „menschlich“. Fast jeder Mensch hat im Laufe seines Lebens schon einmal darüber nachgedacht, seinem Leben ein Ende zu bereiten. Und selbstverständlich sollte man sich sofort professionelle Hilfe suchen, wenn man das Gefühl hat, nicht mehr dafür garantieren zu können, das man sich selbst etwas antut (siehe Kontaktadressen am Anfang dieses Artikels).
Mit Suizidgedanken LEBEN lernen
Für mich war aber eher das Thema, MIT diesen Gedanken zu leben. Sie nicht zu dämonisieren, auch nicht zu verharmlosen, sondern sanft und geduldig an den Gründen zu arbeiten, die mich immer wieder glauben lassen, ich sei nicht liebenswert, mein Leben nicht lebenswert und sowieso am Ende alles nur ein sinnloser Kampf. Wenn die Ängste über meinem Kopf zusammenschlugen wie gewaltige Wellen und alte Wunden wieder aufgingen, war das nicht immer leicht. Und immer, wirklich immer im Leben, ist es umso schlimmer, je einsamer man sich fühlt. Deshalb dieser Artikel – als Mutmacher, als Aufforderung, aufeinander acht zu geben und euch mitzuteilen.
Denn wenn wir uns nicht bemerkbar machen, wird der Gedanke an Macht gewinnen. Wir schämen uns vielleicht, denken, andere nähmen unseren Schmerz nicht ernst oder wollen niemandem zur Last fallen. Wir wollen die Gedanken nicht haben, haben sie aber trotzdem.
Dabei sind suizidale Gedanken, wie Teal Swan es in diesem Video formuliert, ein vorübergehender Zustand, in dem unser Schmerz unsere Kapazitäten, mit Schmerz umzugehen, übersteigt. Wenn wir zu dieser Überforderung noch Schuld und Scham darüber addieren, dass wir die suizidalen Gedanken überhaupt haben, ist das nicht selten der Punkt, an dem das Fass überläuft.
https://www.youtube.com/watch?v=lXi7vcnvl5c
Genau diese Momente der Sprachlosigkeit aber können die fehlenden Meter sein, auf dem Weg zurück zum Lebenswillen. Oft ist es dieser Graben, dieses sich-in-seiner-Not-nicht-verständlich-machen-können, das dazu führt, dass sich eine Situation ausweglos anfühlt. Als hätte man alle Taue zur Welt abgeschnitten. Man traut sich nicht, zu sagen, dass man darüber nachdenkt, sich das Leben zu nehmen. Diese Worte verlassen fast nie einen Mund, obwohl es sie gibt. Diese Gedanken bunkern wir zu oft nur in unserem Kopf – dabei sind sie genau dort in der Lage, den größten Schaden anzurichten.
Hilfe für Betroffene und Angehörige
Freunde und Familie sind oft überfordert – entweder, sie erkennen die Not nicht oder sie sind hilflos und wissen nicht, was sie tun sollen. Deswegen kommt hier eine Liste von Punkten, die mir dabei geholfen haben, MIT meinen Suizidgedanken zu LEBEN und sie Stück für Stück hinter mir zu lassen:
Ich weiß, man kann Selbsttötungen nicht immer verhindern. Ich möchte mit diesem Beitrag aber einen kleinen Teil dazu beitragen, das Tabu rund um dieses Thema behutsam aufzubrechen. In der akuten Phase vor einigen Wochen habe ich den Schritt gewagt und mich Menschen anvertraut. Ich habe darüber gesprochen. In den Momenten, in denen ich alleine war, habe ich meine Angst und Verzweiflung herausgelassen. Manchmal mit Chesters Stimme zusammen, die aus meinen Lautsprechern klang. Dann habe ich mir den Satz „I am the change“ auf die Handinnenfläche geschrieben. Als Anker durch den Tag.
In diesem Sinne: setzt euch Anker, viele kleine, die inmitten der Flut von Angst und Hoffnungslosigkeit ein bißchen mehr Halt geben. Bis die See sich wieder glättet. Suizidgedanken sind oft keine wirkliche Verneinung des Lebens. Man möchte SO nicht weiterleben – aber man möchte leben!
Ich wünsche allen, die dieses Thema betrifft, genau dieses Wissen tief im Herzen. Lasst euch nicht von einem Moment die Möglichkeit auf all die Wunder nehmen, die noch kommen können.
Der Entwurf zu diesem Artikel entstand im März. Wenige Wochen später scheint viel mehr Sonne in mein Leben. Schneller, als ich es je gedacht hätte. Das heißt nicht, dass mich ähnliche Gedanken in anderen Phasen meines Lebens nicht wieder anfallen können, unerwartet, wie ein Rudel Wölfe. Für Menschen wie mich, die eine Borderline Störung und Depressionen haben, ist das nicht ungewöhnlich. Aber ich weiß jetzt, dass keine Nacht ewig dauert. Auch nicht die schwärzeste, ohne Mond und Sterne. Es wird besser. Das Leben ist nicht statisch, unsere Gefühle sind es auch nicht. Du, die oder der das liest: vertrau darauf.
Es ist Zeit für dein kreatives Erwachen. Entdecke, wie lebendig es dich macht, etwas Kreatives zu schreiben und deine Texte mit anderen zu teilen. Als deine Mentorin begleite ich dich gerne auf deiner Schreibreise.
1 Comment
Liebe Kea,
wieder einmal ein unglaublich wichtiger Text, vielleicht DER wichtigste. Ich muss noch überlegen, wie und wo ich ihn am besten teile und ob ich mich irgendwann vielleicht selbst traue, so einen Artikel zu schreiben. Mein tiefstes Loch kam erst, nachdem ich einen Freund nach dem Suizid seiner Mutter begleitet habe. Dadurch war mir zum Glück klar, dass ich dringend Hilfe brauche. Deine Tipps kann ich alle unterschreiben und auch die Erkenntnis wie schnell es gehen kann. Manchmal sind es nur Wochen, manchmal sogar nur Tage oder Stunden bis zum nächsten unerwarteten Glücksmoment und für die lohnt es sich immer. Aktuell begleitet mich das Thema wieder sehr, da aktuell zwei Suizide aus meinem Umfeld und mein Aufenthalt in der Psychiatrie Jahrestag haben. Wenn man geht, hört vielleicht der Schmerz auf, aber auch all das Glück. Die Sonne auf dem Gesicht, deine Liebsten um dich und der Geruch von Sommerregen. Durchhalten lohnt sich so sehr. Und ich bin so traurig, dass die, die gegangen sind, nicht mehr sehen können, wie ihre Kinder Rettungssanitäter werden, ihre Schwestern auf Weltreise gehen und ihre Nichten ihr erstes Wort sagen. Danke für diesen Text und deine Ehrlichkeit. ❤️